Wie Personaler erkennen, ob Sie die Wahrheit sagen
von Yasmine Limberger
Zugegeben, die Verlockung ist manchmal groß und die Fragen der Personaler sind oftmals auch richtig fies. Da würde man am liebsten mal so richtig auf den Putz hauen, um seinen Gesprächspartner zu beeindrucken, was man doch schon alles geleistet hat, welche noch so tot geglaubten Projekte man wieder auf die Spur gesetzt und schließlich zum Erfolg geführt hat oder wie tiefgreifend man sich doch in der einen oder anderen Materie auskennt. Aber Achtung: Dieser Schuss kann schnell nach hinten losgehen.
Sie sitzen im Vorstellungsgespräch Ihres Traumarbeitgebers und wollen diesen Job unbedingt. Da passiert es! Der Personaler fragt nach, ob Sie schon einmal ein Team geführt haben, denn die neue Aufgabe ist mit Personalverantwortung verbunden. Sie sollen ein Team von Entwicklern bei der Einführung einer neuen Software unterstützen. Mit der Software kennen Sie sich perfekt aus, aber bisher waren Sie selbst Entwickler und haben sich nicht mit Managementaufgaben beschäftigt. Die Möglichkeiten in Ihrem aktuellen Job sind dafür auch begrenzt, genau deshalb haben Sie sich ja auch auf die Stelle beworben, um endlich den nächsten Schritt zu tun. Aber das kann man doch jetzt nicht zugeben! Sicher wird doch jemand gesucht, der alle Anforderungen mit einschlägigen Erfahrungen belegen kann. Jetzt, da man es bis ins Finale geschafft hat, darf man nicht als Anfänger dastehen, sonst befindet man wieder ganz am Anfang. Jetzt wird erwartet, dass man Profi ist. Genau! Und deshalb gibt es an dieser Stelle nur eine Antwort: Nämlich die Wahrheit! Sagen Sie offen, dass Sie bisher noch nicht als Teamleiter gearbeitet haben und beweisen Sie, dass Sie aber durchaus das Zeug dazu haben, in Zukunft Mitarbeiter zu führen, weil Sie reif und erfahren genug dazu sind, weil Sie sich mit der Software auskennen und sich für das Team als Coach und nicht als Chef verstehen. Mit dieser Strategie haben Sie gute Chancen, den Job zu bekommen. Wenn Sie sich einer „Notlüge“ bedienen, die mit Sicherheit irgendwann auffliegt, haben Sie dagegen womöglich für immer verspielt.
Achtung: Personaler sind geschult darin, Lügner zu entlarven
Geraten Sie an einen hochqualifizierten Personaler, der in der Persönlichkeitswahrnehmung intensiv geschult ist, so erkennt dieser anhand Ihrer Körpersprache, Ihrer Gestik und Mimik sehr genau, was in Ihrem Kopf gerade vorgeht und ob Sie die Wahrheit sagen. Er kann erkennen, ob Sie erstaunt sind, Angst haben, Sympathie empfinden oder ein Lächeln nur vortäuschen, denn Ihre Körpersprache ist nur bedingt beherrschbar. Seinen eigenen Gesichtsausdruck zu kontrollieren, bedarf einer hohen Schule der Konzentration und vor allem dem Wissen über die sogenannten Mimik-Codes. Ein spannendes Thema, über das es wiederum eigene Bücher gibt. Psychologen aus der ganzen Welt beschäftigen sich mit dem Studium der Körpersprache und Mimik, um Gedanken ans Licht zu bringen. Den meisten Menschen gelingt es nicht, Lügen im Gesicht eines anderen zu entdecken, weil sie gespielte oder gefälschte Gesichtszüge nicht von den eigentlichen Emotionen unterscheiden können. Aber wer auf die Wahrnehmung von Empfindungen in den Gesichtsausdrücken seines Gegenübers geschult ist, der kann an der Form der Mundwinkel, des Blicks oder der Augenbrauen deutlich erkennen, was sich im Kopf seines Gesprächspartners wirklich abspielt. Gehen Sie davon aus, dass Personaler zumindest Ansätze zur Entschlüsselung solcher Mimik-Codes beherrschen und Sie somit schnell durchschaut. Welche Indizien in Ihrem Gesicht verraten Ihre innere Stimmung und lassen erkennen, ob Sie die Wahrheit sagen? Hier ein kleiner Überblick:
1.) Augenblicke: Aus der NLP (Neurolinguistischen Programmierung) entnommen, kann man davon ausgehen, dass die meisten Menschen unbewusst nach rechts oben schauen, wenn sie lügen oder Geschichten fantasievoll erweitern. Oft bewegen sich die Pupillen nur für 25 Millisekunden nach oben, um nach Ideen zu suchen. Achtung: Dies gilt meist aber nur für Rechtshänder. Generell wandert der Blick bei Fragen, die man so einfach nicht beantworten kann, aber zunächst nach oben. Um einen Lügner mit einer größeren Sicherheit zu entlarven, müssen aber weitere körpersprachlichen Aspekte berücksichtigt werden.
2.) Über den Augen liegt die Wahrheit: Wenn die Augenbrauen immer wieder nach oben gehen, kann das daran liegen, dass der Gesprächspartner total überrascht ist von der Frage und somit mit Unsicherheit und Angst reagiert.
3.) Die Wahrheit herunterschlucken: Wer die Lippen nach innen einzieht, ist in höchstem Maße verunsichert und sucht schnell nach einer Ausrede oder Entschuldigung.
4.) Schulterzucken: Wer bei seiner Antwort, die rechte Schulter nach oben zieht, outet sich zwar noch nicht als Lügner, aber es ist davon auszugehen, dass er dem, was er sagt, selbst nicht traut und unsicher ist, wie die Reaktion des Gesprächspartners ausfallen wird.
5.) Falsches Lächeln: Natürlich kann man ein Lächeln vortäuschen. Wahre Zustimmung oder Sympathie erfährt man durch eine konsistente, entspannte Körpersprache. Instinktiv wendet sich der Körper von einem Menschen ab, den er nicht leiden kann. Der ganze Körper ist messbar angespannt. Die Hände werden zu Fäusten, die Füße drehen sich weg.
Sicher kann man versuchen, seine Körpersprache zu kontrollieren, ja vielleicht sogar bewusst einzusetzen, um Selbstsicherheit und Souveränität zu signalisieren. Pokerspieler beherrschen diese Kunst zumeist in Perfektion. Aber Personaler wissen: ITler sind meist authentisch und in Stressituationen ist es unmöglich, Körpersprache, Gestik und Mimik gleichzeitig im Griff zu behalten.
Dennoch: Machen Sie sich keine Gedanken, wenn Sie beim Vorstellungsgespräch aufgeregt und teilweise unsicher erscheinen. Das ist normal und gilt bei Personalern auch nicht als Manko. Bleiben Sie einfach bei der Wahrheit und versuchen Sie durch ruhiges Atmen in den Bauch so entspannt wie möglich zu sein.
In manchen Situationen kommen nicht wahrheitsgemäß beantwortete Fragen jedoch womöglich erst ans Tageslicht, wenn man schon eine Weile an Bord ist. Dann kann man seinen Job noch so gut gemacht haben, wahrscheinlich ist man ihn durch seine Falschdarstellung auch gleich wieder los. Eine Lüge im Vorstellungsgespräch ist kein Kavaliersdelikt, sondern beschädigt das Vertrauen und damit die Zusammenarbeit so nachhaltig, dass der Arbeitgeber das Recht zur Kündigung hat. Ausnahmen sind Fragen nach persönlichen Verhältnissen oder bei Frauen nach einer bestehenden Schwangerschaft. Wenn diese Fragen nicht im direkten Zusammenhang mit der Ausübung des Jobs stehen, dann müssen solche Fragen nicht beantwortet werden. Bevor man hier aber die Dinge falsch darstellt, sollte man eher von seinem „Schweigerecht“ Gebrauch und dazu keine Angaben machen. Besser ist es jedoch auch hier, offen und ehrlich zu antworten, denn Sie selbst wollen ja einen Job, in dem Sie sich langfristig entwickeln können und der Ihnen auch Spaß macht und hier ist ein gegenseitiges Vertrauen die Basis einer guten Zusammenarbeit.
Dass der Lebenslauf sowie die beiliegenden Zeugnisse der Realität entsprechen, versteht sich von selbst, denn wer z. B. Diplom- oder Arbeitszeugnisse fälscht, riskiert nicht nur seinen Job, sondern macht sich sogar strafbar. Es ist kein Beinbruch, wenn man nicht nur erstklassige Zeugnisse vorweisen kann oder der Lebenslauf aufgrund verschiedener Ursachen Lücken aufweist. Wichtig ist, dass man die Gründe dafür wahrheitsgetreu, selbstsicher und plausibel vortragen kann. Man muss die Schwachpunkte ja nicht gerade betonen, sondern meist reicht es, sie in einem Satz abzuhandeln und sich dann wieder auf seine Qualifikationen und Erfahrungen zu konzentrieren. Vor allem sollte man unnötige Schuldzuweisungen unterlassen und auch kein Mitleid erwarten. Richtig ist es dagegen, die Dinge zu betonen, die in der Stellenausschreibung gefordert sind und in denen man sich auch tatsächlich profilieren kann. Nutzen Sie also die Chance, das Gespräch in die richtige Richtung zu bringen, indem Sie die Möglichkeit geben, Themen länger auszuführen und vielleicht sogar selbst vorschlagen, z. B. Ihr aktuelles Projekt oder besondere Verantwortlichkeiten darstellen zu dürfen, die für die entsprechende Position nützlich sein können.
Beliebt bei der Auswahl von IT-Fachleuten sind häufig auch ganze Fragekataloge an technischen Aufgabenstellungen. Auch die Bearbeitung von Fallstudien mit Bezug zum neuen Job wird häufig in Vorstellungsgesprächen genutzt. Wie aber sollte man reagieren, wenn man auf einzelne technische Fragen im Interview keine Antwort weiß, sei es, weil einem die Erfahrungen dazu fehlen oder weil man sich in eine andere Richtung spezialisiert hat? Falsch wäre es, sich irgendetwas zusammenzureimen, nur um etwas zu sagen. Das macht insgesamt einen schlechteren Eindruck, als wenn man selbstsicher zugibt, dass man sich in diesem Bereich nicht so gut auskennt. Bevor der Gesprächspartner von selbst darauf kommt und Sie sich mit falschen Antworten blamieren, sagen Sie lieber direkt, dass Ihr Spezialgebiet in eine andere Richtung geht. Sie geben dem Interviewer damit wiederum die Möglichkeit, Ihnen Fragen zu Ihrem Schwerpunkt zu stellen und sich somit die Chance, doch noch zu glänzen. Und selbst wenn die eine oder andere Frage ganz unbeantwortet bleibt, Sie sind nicht bei „Deutschland sucht den Superstar“, sondern Sie bewerben Sie um einen Job bei einem professionellen Unternehmen. Ihnen gegenüber sitzt nicht eine Jury, die ein Millionenpublikum unterhalten soll, sondern ein Personaler und evtl. ein fachlicher Interviewer, die auch nicht alles wissen, die aber von Ihnen erwarten, dass Sie zeigen, was Sie wirklich können und bei der Wahrheit bleiben.
Gesucht werden heute Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, die mit Selbstsicherheit, aber ohne Arroganz auftreten, die Ihr Profil auf den Punkt bringen können, ohne dabei auszuschweifen und die gut ausgebildet, aber auch bereit sind, ihr ganzes Leben lang zu lernen. Und dazu bedarf es keiner Superhelden, die alle Anforderungen perfekt erfüllen, sondern Experten mit Charakter und Leidenschaft für ihre Arbeit.
Sollten Sie die eine oder andere Frage im Vorstellungsgespräch also nicht beantworten können, dann stehen Sie dazu, und vor allem fragen Sie interessiert nach, welche Antwort denn die richtige gewesen wäre. Verstricken Sie sich nicht in Diskussionen, sondern präsentieren Sie sich offen und neugierig. Dann kann eigentlich nichts schiefgehen!