Vorsicht Wildwechsel- Ärger mit dem neuen Chef
Unzufriedenheit im Job kann vielfältige Ursachen haben. Häufig aber ist der Frust am Arbeitsplatz unmittelbar mit dem Vorgesetzten verbunden. Sei es, weil man das Gefühl hat, dass einem der Chef nichts zutraut und sich als Kontrolleur aufspielt oder die spannenden Aufgaben an sich reisst anstatt neben Routinearbeiten auch Verantwortung zu delegieren. Vielleicht geht einem auch einfach die Tatsache auf den Geist, dass sich der Chef in alles einmischt und Druck aufbaut, obwohl er selbst kein Fachexperte ist. Er ist eben Manager.
von Yasmine Limberger
Noch schlimmer stellt sich die Situation dar, wenn man es bislang anders kannte. Bis letzte Woche war die Welt noch in Ordnung. Das Verhältnis zum Vogesetzten war spitze, man hatte alle Freiheiten der Welt, konnte sich auf seine Arbeit konzentrieren, durfte eigenständig Entscheidungen treffen, regelmäßig auf Weiterbildungen gehen, der Freitag im Home Office wurde kommentarlos akzeptiert und am Ende des Jahres war einem der verdiente Bonus sicher. Und dann der Super Gau. Der Chef verlässt das Unternehmen aus welchen Gründen auch immer. Mit einem Mal weht ein anderer Wind und man bangt um sein Gewohnheitsrecht. Schon als der Neue, der vom Wettbewerber kommt, sich vorstellt, wird einem klar: Mit dem wird’s Ärger geben. Die ersten Wochen bekommt man von dem neuen Chef noch nicht viel mit, alles läuft erstmal weiter. Aber das ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Eines schönen Home-Office Freitags erhält man einen Anruf vom neuen Chef, dass man doch bitte dringend ins Büro kommen soll, da es Probleme gäbe. Termine wurden nicht eingehalten, es gab eine Eskalation.
Jetzt wird es deutlich: Der Neue fordert einen zum Duell heraus, lässt einen spüren, dass man am kürzeren Hebel sitzt. Wutentbrannt fährt man ins Büro, will zunächst mit einem Kollegen sprechen, was eigentlich los ist. Das Team sitzt aber schon mit dem neuen Chef zusammen und eine hitzige Diskussion über Vereinbarungen und unvollständige Kundenanforderungen ist in vollem Gange. So etwas gab es bisher nicht. In regelmässigen Teamsitzungen wurden die Ergebnisse erörtert und ggfs. Termiinanpassungen gemacht, wenn nötig. Seit Monaten fanden solche Meetings aber erstmal nicht mehr statt, so dass man sich fragt, wer an dieser Misere letztlich Schuld ist. Und auch das ist neu: Schuldzuweisungen fliegen wie Granaten umher. Man geht in Deckung und denkt sich:“Früher war alles besser!“
Wenn Probleme auftraten, wurden diese im Team gelöst. Nun will der neue Chef klare Verhältnisse schaffen und allein entscheiden. Home Office ist erstmal passé. Ab sofort wird vor Ort gearbeitet, jeder hat zu jederzeit ansprechbar zu sein. Die regelmässigen Meetings werden kurzum wieder eingeführt. Augenscheinlich hat der neue Chef zudem schon seine Lieblinge gefunden, die verschont bleiben, die machen dürfen, was sie wollen, während man selbst als alter Hase abgestraft wird und sich wieder ganz neu profilieren muss. Der Frustpegel steigt. Emotionale Diskussionen statt sachliche Kommunikation sind an der Tagesordnung.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis einem der Kragen endgültig platzt. „Nur weg hier“, geht einem durch den Kopf. Und dann? Was ist die Alternative? Wenn man jetzt alles hinwirft, verliert man auch all seine Privilegien, die der Arbeitgeber als Hygienefaktoren bereitstellt, unabhängig vom Chef: überdurchschnittliches Gehalt, den Firmenwagen, die kurze Strecke zum Arbeitsplatz, die Altersvorsorge etc. Also legt man erstmal den Hebel um, macht Dienst nach Vorschrift und hält die Füsse still. Schliesslich hat man schon viele Leute kommen und gehen sehen, aber leider bisher immer in anderen Abteilungen. Der neue Chef hält sich aber nunmehr schon über die Probezeit hinaus und kann bei der Geschäftsführung mit guten Ergebnissen punkten. Die ganze Situation hat daher ein Stadium erreicht, bei dem man realisiert: „Hier hält mich nichts mehr.“ Oder doch? Die Kollegen zum Beispiel, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben und sich auch nach der „guten alten Zeit“ zurücksehnen. Ausserdem sind die Themen, mit denen man hier zutun hat, eigentlich spannend und innovativ. Soll man sich also, nur aufgrund eines miesen Chefs vom Acker machen?
Die Lösung liegt ja theoretisch nah, denn was macht eigentlich der alte Chef jetzt? Gibt es hier vielleicht eine Chance, in sein neues Team oder zu seinem neuen Arbeitgeber zu wechseln?
Gehen Sie strukturiert statt kopflos an die Sache heran.
Stellen Sie sicher, dass Sie den Kontakt zum alten Chef aufrecht halten. Wenn dieser Rettungsfallschirm sich nicht öffnet, dann werden Sie an anderen Stellen aktiv. Sind Sie prinzipiell weiterhin von Ihrem Arbeitgeber überzeugt, dann erkundigen Sie sich unternehmensintern nach offenen Positionen und sprechen Sie mit Kollegen aus anderen Abteilungen.
Vermeiden Sie es jedoch, schlecht über den neuen Chef zu sprechen, sondern agieren Sie sachlich und professionell. Signalisieren Sie Motivation für neue Aufgaben in einer neuen Rolle und einer anderen Abteilung, anstatt wie ein „Flüchtling“ aufzutreten. Generell werden Sie mit einem professionellen Verhalten und einer positiven Einstellung Vorgesetzte anderer Abteilungen eher überzeugen, Sie für eine interessante offene Position in Erwägung zu ziehen, als wenn diese vielmehr wie eine Notlösung erscheinen.
Sollte es intern keine neuen Perspektiven geben und Sie auch bereits mehrfach erfolglos das Gespräch mit Ihrem neuen Chef gesucht haben, um gegenseitige Erwartungen abzuklären und doch noch einen Konsens zu finden, dann bleibt nur der Weg nach draussen. Aber auch dieser sollte wohl überlegt sein. Suchen Sie gezielt nach einer Position und einem Unternehmen, das Ihren Vorstellungen, Bedürfnissen und Ihrer persönlichen Kompetenz gerecht wird. Versuchen Sie, soviel wie möglich über die Inhalte der Arbeit, Ihre Rolle sowie die Werte und Führungsprinzipien des potenziell neuen Arbeitgebers herauszufinden, bevor Sie einen neuen Arbeitsvertrag unterzeichnen. Machen Sie sich bewusst, dass Sie sich auch im neuen Job erstmal wieder einen Namen machen müssen und nicht sofort mit Forderungen von sich Reden machen können. Sehen Sie den neuen Job als Chance und gehen Sie offen an die neue Aufgabe heran. Lassen Sie das Alte hinter sich, trauern Sie nicht länger Ihrem alten Super-Boss nach und reden Sie auch hier nicht schlecht über ihren unerwünschten Vorgesetzten. Bleiben Sie in Kontakt mit den alten Kollegen und halten Sie sich gegenseitig auf dem neusten Stand.
Ihre Karriere wird durch Sie gesteuert, nicht durch Ihren Chef.
Egal, wie Sie das Problem letztlich lösen, denken Sie daran, dass Ihre weitere berufliche Laufbahn grundsätzlich im Wesentlichen von Ihnen abhängt und nicht von Ihrem Chef, Ihren Kollegen oder Ihrem Arbeitgeber. Sie haben das Ruder selbst in der Hand. Auch wenn Sie mal in einen Sturm oder eine Sackgasse geraten, haben Sie die Möglichkeit Ihre Karriere wieder auf Kurs zu bringen.